Vor etwa 10 Jahren, als ich anfing hier zu schreiben, da hatte Neue-Musik-Recherchieren etwas schwelgerisches, dandyhaft-glamouröses. Es war Hingabe an die Muße der Muse, Otium, Opium, das willfährige Sichgehen- und fallenlassen in den eigenen, genussüchtigen Ruin der auralen Kontemplation.
Denn neue Musik war fast immer aufregend, schön, verheißungsvoll.
Heute bedeutet, einen Blog über neue Musik zu schreiben, eher unerschrockenes, kühnes Ackern, in einem unaufgeräumten, sperrigen, staubigen und deprimierend belanglos wirkenden Speicher. Positiv gewendet ist man ein Pirat in zunehmend feindlichen Gewässern; realistischer betrachtet ist man ein desillusionierter Akkordarbeiter der Akkorde auf einer hoffnungslos verspekulierten
Baustelle/Saustelle/Zurschaustelle.

Seit Wochen habe ich hier nichts mehr be-, ver-, gerichtet. Neue Alben habe ich weiterhin beflissen weggehört, aber meistens schnell weggehört.
Was ist bloß los mit der sogenannten Indie-Musik?
Von ganzen zwei, in Worten: zwei, Alben habe ich mir seither Songs gekauft. Und auch die weniger aus Überzeugung als vielmehr aus Pflichtgefühl.

Machen wir es, der Tragweite gemäß, kurz:
Das neue Album der Charlatans heißt Different Days, lässt uns auf ebensolche warten und ist nicht annähernd so gut, wie das letzte aus 2015. Wobei schon seinerzeit die Anagramme in der Rezension mit Abstand am meisten Spaß gemacht haben…

Und Broken Social Scenes Hug Of Thunder kann man auch hören, wenn man will. Doch allzu oft will man nicht.

Und sonst? Am besten war noch das nach zwanzigjähriger Pause plötzlich dagewesene neue Album eines gefühlt Sechsundneunzigjährigen: Roger Waters (Is This The Life We Really Want?).
Aber selbst das verzichtet nahezu gänzlich auf Gitarren und hat thematisch in diesem Blog eigentlich sowieso nichts zu suchen.

Es tut mir wirklich Leid, meine Damen und Herren. Ich bin fürwahr kein grumpy old man. Aber was man uns dieser Tage als neue Musik serviert, ist für einen gestandenen Musikliebhaber einfach nur noch schwer erträglich. Selten richtig schlecht, aber nahezu nie gut.
Mittel halt. Mittel.
Und scheinbar ohne Mittel.

Links:
Broken Social Scene – Please Take Me With You
The Charlatans – Solutions (leider keinen Link gefunden – ist der beste Song vom Album. Dafür ein dröges Interview mit immerhin dem verlässlichen Hammerhaircut von Tim Burgess…)
Roger Waters – The Last Refugee

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