„Alle, sage ich, streben dorthin: zur Freude!
Aber wo sie dauerhafte und große Freude finden, wissen sie nicht.“
(aus Senegal)
(aus Seneca – Briefe an Lucilius)

Bei Freunden, natürlich. Und in der Folge dann auch hier. Denn neben meinen eigenen Jahrescharts liegen mir auch dieses Jahr wieder ähnliche Listen aus meinem erlauchten Freundeskreis vor. Und zwar freudebringender Weise nicht nur in Schrift- sondern auch in CD-Form – ein wunderbares Jahresendritual, welches u.a. dazu führte, dass ich in den letzten Wochen einmalmehr ausgiebig viel gute, und mir oft bis dato unbekannte Musik konsumieren konnte. Ferner hat auch Lenins Lieblingsmusikpostille Q eine inspirierende Liste der besten 50 Alben des vergangenen Jahres publiziert, und an diesem reichen Schatz an Klängen und Worten möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, wie schon in der Vergangenheit, nun natürlich auch wieder teilhaben lassen. Am Start sind die Listen von Blog-part-time-Ideengeber frunk, vom Institutsleiter (ifkt), vom Team ZOB und von der einen von den Stones.
Der Plan ist folgender: wir schauen uns die Q-Liste (die einzige, die tatsächlich in Form einer Hitparade, also mit Reihenfolge, aufgestellt wurde) in Auszügen an und schauen dann, ob es Überschneidungen zu den Freundeslisten oder meiner eigenen gibt. Da Musik eine sehr intime Angelegenheit ist, werde ich aber nicht verraten, auf wessen Liste sich die Treffer jeweils befinden.

Wie erwähnt, namentlich hat die Q die besten „Alben“ gekürt. Da aber jeweils ein „Key-Track“ genannt wird, ist es letzten Endes dann doch auch eher eine Songhitparade – anders ließe sich so manche Nominierung und insbesondere Platzierung auch nur schwer erklären…
Schauen wir uns heute zunächst mal die 15 besten Platten aus 2015 laut Q in Gänze an:

15) Django DjangoBorn Under Saturn
(Key Track: Shake And Tremble)
14) Sleaford ModsKey Markets
(Key Track: Face To Faces)
13) Joanna NewsomDivers
(Key Track: Sapokanikan)
12) FoalsWhat Went Down
(Key Track: What Went Down)
11) Father John MistyI Love You, Honeybear
(Key Track: Chateau Lobby #4 – In C For Two Virgins)
10) Florence & The MachineHow Big, How Blue, How Beautiful
(Key Track: What Kind Of Man)
9) Kendrick LamarTo Pimp A Butterfly
(Key Track: King Kunta)
8) Laura MarlingShort Movie
(Key Track: Walk Alone)
7) Kurt VileB’lieve I’m Goin‘ Down
(Key Track: Pretty Pimpin‘)
6) Courtney BarnettSometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit
(Key Track: Nobody Really Cares If You Don’t Go To The Party)
5) New OrderMusic Complete
(Key Track: Plastic)
4) BlurThe Magic Whip
(Key Track: Go Out)
3) Jamie XXIn Colour
(Key Track: Gosh)
2) Julia HolterHave You In My Wilderness
(Key Track: Feel You)
1) Tame ImpalaCurrents
(Key Track: Let It Happen)

Fangen wir ganz oben auf dem Siegertreppchen an:
Tame Impala. Die wurden ja unpassenderweise immer so ein bißchen als die australischen Kasabian verhandelt, nicht zuletzt weil Tom Meighan kaum eine Gelegenheit ausließ, darauf hinzuweisen, dass er selbst großer Fan sei. Mich haben die nie so becirct, schien doch ihre Kernkompetenz seit jeher zu sein, einen adäquaten Soundtrack zum Kiffen abzuliefern. Nicht meine Droge.
Und in der Tat scheint es mir beinahe unmöglich, das Album Currents, das gefühlte 300 Songs enthält, die alle irgendwie gleich klingen, ohne ein ordentlich dosiertes Sedativum komplett durchzuhören. Aber der erwähnte „Key-Track“ Let It Happen ist fürwahr ein unwiderstehlicher Ohrwurm und befindet sich daher auch völlig zu Recht auf einer der Freundeslisten. Und unterfüttert meine oben aufgestellte Vermutung, dass die Q sich eben auch eher an Hits als an kompletten Alben orientiert.

Julia Holter hat Komposition studiert und macht also poppige Kunst oder vielleicht auch umgekehrt „arty“ Popmusik, und ich weiß nicht so recht, was ich davon halten/holten soll. Irgendwie fehlen in diesem Grenzbereich halt/holt auch die Referenzen, um sagen zu können, ob das jetzt gut ist oder eher Mumpitz.
Um ehrlich zu sein, bin ich mir relativ sicher, dass es eigentlich ziemlicher Humbug ist, aber die Frau ist so bezaubernd, dass man es trotzdem schön findet. Feel You gefiel nicht nur der Q sondern findet sich auch in gleich zwei der vier Freundeslisten, also muss ja mal zumindest an diesem Song wirklich was dran sein. Hören Sie bitte auch noch Silhouette. Hören. Nicht etwa sehen – die beiden Videos gehören durchaus zum Furchtbarsten, was im Genre Musikvideo jemals produziert wurde.
Es sind wohlgemerkt, bei aller Verschrobenheit, noch die zwei eingängigsten Stücke auf dem Album. In der Vergangenheit hat Miss Holter auch schon mal ein Kochbuch mit John-Cage-ähnlichen Klängen vertont. Man könnte beim aktuellen Longplayer also schon beinahe von einem kommerziellen Sellout sprechen…
Habe nebenbei, sowohl bei Tame Impala als auch bei Frau Holter („natürlich mit Holter, mein Gott Wolter“ – Mike Krüger) den leisen Verdacht, dass das jeweilige Vorgängeralbum irgendwie besser war. Was eine uralte Popthese von mir bestätigen würde, nämlich dass Künstlern der große Durchbruch fast immer mit dem Album nach dem besten Album gelingt.

Jamie XX. Den hätte ich nun in der Tat sowohl beim Team ZOB als auch beim Institutsleiter zwingend auf der Liste erwartet. War er aber nicht. Nirgends. Und bei mir ja schon gar nicht. Ich stimme der Q-Redaktion aber zumindest insofern zu, dass Gosh die beste Nummer auf dem Album ist.

Blur. Dazu wurde hier im Blog schon genug gesagt. Es beruhigt mich, dass sich, abweichend von der Q, auch auf einer der Freundeslisten das wunderschöne, von mir gekürte Lonesome Street wiederfindet.

New Order. Nun, ich fand das Album enttäuschend. Stellenweise uninspiriert und blutleer, aber vor allem furchtbar lieblos produziert. Findet sich aber auch zumindest auf einer der Freundeslisten, und zwar mit dem viel keyigeren Key-Track Restless.
Superheated ginge m.E. auch noch gerade so durch (wenn man darüber hinwegzusehen imstande ist, dass der optisch ca. 70-jährige Herr Sumner einen Text schreibt, der bei einem 23-jährigen schon grenzwertig wäre).

Courtney Barnett. Bei der Q, bei mir und auch auf einer der Freundeslisten. Jeweils mit unterschiedlichen Songs, was in diesem Fall nur untermauert, dass es sich tatsächlich um ein beinahe makelloses Album handelt.

Die vier danach gefallen nur der Q. Das ist okay so, denn die können Sie m.E. eh den Hasen geben.
(Also Florence ist natürlich irgendwie immer noch okay, aber die ist längst Superstar und interessiert uns halt auch einfach nicht mehr so.)

Father John Misty. Aka Josh Tillman. Nach Andy Burrows jetzt schon der zweite Schlagzeuger (sic!) einer erfolgreichen Band, der sich solo als Songwriter versucht. Und er hat super Songtitel im Gepäck: das von der Q ausgewählte Chateau Lobby #4 (in C For Two Virgins) schlägt natürlich alle, aber auch The Night Josh Tillman Came To Our Apartment, Bored In The USA (Treffer auf einer der Freundeslisten) und eigentlich auch der Albumtitelsong I Love You, Honeybear gefallen mir ausgesprochen gut. Die Musik ist nicht ganz so gut wie die Songtitel, aber ich meine, ist ja auch ein Schlagzeuger. Hallo? These modern times, ts ts. Zu meiner aktiven Zeit hätte man gesagt: ein Song? vom Schlagzeuger? Gott bewahre!
Stellen Sie sich vor, Ringo Starr würde Soloplatten machen. Ridiculous!

Foals. Ebenfalls ein Treffer. Ich fand‘ die früher sen-sa-zi-o-nell.
Was nicht heißt, dass sie jetzt mies sind. Aber leider nicht mehr sen-sa-zi-o-nell. Dafür spielen sie jetzt in Stadien. Sei ihnen gegönnt.

Joanna Newsom. Ein Treffer bei den Freunden (gleicher Song). Kein Treffer bei mir, aber ich kann ja auch nicht alles gutfinden…

Sleaford Mods. Bei der Q, bei Freuden (gleicher Song) und bei mir (anderer Song). Um ehrlich zu sein, hätte ich, glaube ich, jeden anderen Song vom Album präferiert. Face To Faces ist grenzwertig, weil Jason Williamson darauf stellenweise so was ähnliches wie singt. Und das geht erwartungsgemäß schief. Ich musste saure Milch aus dem Kühlschrank entsorgen.

Django Django. Nur bei der Q. Von den Freunden und mir leider, völlig zu Unrecht, links liegengelassen.
„Wonky appeal“ schreibt die Q.
Wonky? Wonky.
Abweichend von deren Auswahl empfehle ich Ihnen dringend die Songs First Light und Beginning To Fade.
Django zahlt eben manchmal doch.

Nun, das war einiges, aber noch lange nicht alles.
Mehr zum Thema in wenigen Tagen.

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