Dumme geben sich ja gemeinhin schnell zu erkennen.
Einer der augenfälligsten Ausweise von Strunzblödheit ist es, sich über moderne Kunst zu empören. Sei es, dass gleich Nägel mit rostbraunen Köpfen gemacht werden, und von „Entartung“ die Rede ist, wie bei vielen Vertretern unsrer Elterngeneration durchaus noch üblich, sei es der unwirksame Hinweis, „sowas“ könne ja wohl jeder, hinter dem zumeist schon das erzkonservative Ideal eines ordentlichen Gelderwerbs durch ehrliche Arbeit hervorlugt, oder sei es nur der oberflächlich harmlose Fehlschluss, Kunst komme schließlich von Können.
Nein, Kunst kommt, wie Herbert Achternbusch zu berichten wusste, „nicht (…) von Können, sondern von Kontern. Aber es kann auch von Kunsthonig kommen.“
Was natürlich nicht heißt, dass es in der modernen Kunst nicht haufenweise Murks und Bullshit gehagelt hätte. Was aber ja in allen anderen künstlerischen Bereichen, und im großen Rest der gesellschaftlich relevanten Systeme kein bißchen anders ist.
Doch welch Tor wollte dies beklagen? Gerade auf dem Feld der sogenannten ernsten Musik hat das zwanzigste Jahrhundert uns ein wahres Füllhorn an Klängen geliefert, die eher zum Erzwingen von Geständnissen als zum Erleben musikalischen Genusses gereichen. Doch allein der Spaß, den der von Künstlern wie Rezensenten bereitwillig gelieferte Kontext heraufzubeschwören vermag, verdient das Prädikat „mehr als wertvoll“ und wiegt jeden einzigen Euro Kulturetat (und nur darum geht es den Kunstignoranten ja letztendlich), der dafür geflossen ist, gleich tausendfach wieder auf.
Doch genug der Vorrede.
Unlängst verstarb einer der größten auralen Folterknechte des vergangenen Jahrhunderts – Karlheinz Stockhausen. Und mit Wonne las ich den ganzseitigen Nachruf in der ZEIT.
Die letzten mehr als zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte der selbsternannte „Engel-Creator“, der seine Werke gern als „Flugschiffe zum Göttlichen“ bezeichnete, mit der Komposition seines Lebenswerks Licht: Eine 29-stündige Oper (in den Worten des Meisters: ein Zyklus), die an sieben aufeinanderfolgenden Tagen aufzuführen wäre. Was selbstredend nie passierte.
Zur groben Wiedergabe des Plots sei hier DIE ZEIT kurz wörtlich zitiert:

„In sieben Operntagen wird universaler Frieden (…) errungen, in Weltraumschlachten und kosmischen Konferenzen zwischen der Urmutter Eva, dem Vertreter der dunklen Mächte Luzifer und dem Musik-Heiland Michael. (…) Was Stockhausen sich in seinem Opus summum so alles an Handlung zusammenfantasiert hat, macht einen ratlos: Er lässt in „Montag“ die Kölner Heinzelmännchen aus einer kosmischen Scheide auf die Bühne purzeln und bringt im kriegerischen „Dienstag“ die elektronische Musikflak mit den Cis-Raketen und der großen Es-Granate in Stellung. Er hat für den „Mittwoch“ ein obertonsingendes Luzikamel erfunden und setzt in „Samstag“ die Mimik des Teufels in Musik. Das Licht-Universum ist streng hierarchisch gegliedert, vom hehren Erleuchtungsadel bis zur hybrid missratenen Plebs, und der Weg nach oben führt nur über reinigende Vernichtungs- und Auferstehungsrituale.“

Heureka! Elektronische Musikflak mit Cis-Raketen und Es-Granate. Ein obertonsingendes Luzikamel. Heinzelmännchen, die aus einer kosmischen Scheide purzeln!
Möchte man wirklich auf derlei herrlich entrückten und größenwahnsinnigen Schwachsinn verzichten?
Nein, möchte man nicht.
Also, natürlich möchte man das Stück nie-, nie-, niemals hören müssen. Aber darüber lesen möchte man schon.
Weshalb es Ihnen hier nicht vorenthalten wurde.
Dass Stockhausen seinerzeit die Terroranschläge vom 11. September als „größtes Kunstwerk, das es je gab“ bezeichnete, und dabei wie er im Nachhinein quengelte, missverstanden wurde?
Natürlich wurde er missverstanden. Dieser Mensch hat sich vermutlich noch nicht mal selbst verstanden.
Ach, was wäre die Welt ohne verrückte Professoren?

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